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Mit dem 150. Todestag des großen Naturforschers und Philosophen Lorenz Oken erinnert
sich seine Heimatgemeinde Bohlsbach zurecht an ihren größten Sohn. aus kleinbäuerlichen
Verhältnissen entstammend, arbeitete sich dieser geniale Mann in schwierigen,
entbehrungsreichen Jahren zu akademischen Ehren und größter wissenschaftlicher Bedeutung
empor. Dabei verbanden sich für Oken naturwissenschaftliche Forschung und philosophische Spekulation immer mit einen zielgerichteten Eintreten für eine Verbesserung der politischen Verhältnisse im damaligen Deutschen Bund. Neben Luden und Fries in Jena kann Oken zu den sog. politischen Professoren der traditionsreichen thüringischen Universität gezählt werden. Das anschaulichste Beispiel für politisches Engagement liefert Oken durch seine Teilnahme am Wartburgfest 1817. Dort wurden im Zusammenhang mit den Aktivitäten der deutschen Burschenschaften eine Reihe liberaler Forderungen laut, die sich alle unter dem Stichwort der Menschen- und Bürgerrechte zusammenfassen lassen. In seiner 1817 erstmals veröffentlichten Zeitschrift "Isis" nennt Oken mehrfach diese Forderungen nach Meinungs- Presse- und Lehrfreiheit und verbindet mit seiner Kritik an der Sächsisch-Weimarerischen Verfassung einen ganzen Katalog von Grundrechtsforderungen. Sie weisen ihn als einen den Idealen der Aufklärung verpflichteten, weit überdurchschnittlich mutigen Verfechter der Freiheit des Individuums aus. Als leuchtendes Beispiel seiner Unerschrockenheit und seines trotz Prozeßdrohungen ungebrochenen Selbstbewußtseins kann man seinen Verzicht auf die Jenaer Professur betrachten. Er gibt sie preis, als man versuchte, ihm den Mund zu verbieten. Auch wenn er ab 1821 auf politische Beiträge in der "Isis" verzichtet, bleibt sein Name mit dem couragierten Eintreten für Freiheitsrechte sowie für politisch verfolgte Studenten verbunden. Als Oken 1822 die "Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte" gründet und zur ersten Versammlung nach Leipzig zusammenruft, ist auch diese große Tat durchaus im Zusammenhang mit politischen und staatsbürgerlichen Vorstellungen Okens zu sehen. Ziel dieser Gesellschaft ist es, neben der Förderung naturwissenschaftlicher Forschung die geistige Einheit Deutschlands als Vorbereitung der politischen Einheit zu schaffen. Freiheit von Forschung und Lehre verbindet sich in Okens Gedankenwelt mit dem Bild einer auf nationaler Basis vereinigten Kraftanstrengung zum Gedeihen und zum Fortschreiten naturwissenschaftlichen Denkens. L. Oken erweist sich damit als klassischer Liberaler und großer Patriot. In diesem Kontext kann es deshalb nicht überraschen, dass gerade ein nationalliberaler Heros der Medizin und Naturwissenschaft wie Rudolf Virchow sich ganz in Okens Denkbahnen bewegt. Nicht zufällig betont Virchow 1865 bei der Jahresversammlung in Hannover, dass es Okens Leitgedanke gewesen sei, "die Wissenschaft aufs engste mit dem Leben der Nation zu verbinden." Damit knüpft Virchow inhaltlich an einen Brief Okens von 1847 an, in dem dieser die "Gesellschaft der Naturforscher als "das geistige Symbol von der Einheit des deutschen Volkes" bezeichnet. Nicht übersehen werden sollte auch der durchaus pädagogische Gedanke Okens, die Wissenschaft populär werden zu lassen, sie also im besten Sinne dem Volk verständlich und damit ohne Anbiederung volkstümlich zu machen, daher tritt bei der Versammlung in Bonn 1835 der Gedanke der "naturwissenschaftlichen Volkserziehung" stark hervor. Und im darauffolgenden Jahr wird in Jena, wo Alexander v. Humboldt gefeiert wird, dieser Aspekt noch einmal verstärkt, wenn es dort heißt, daß es gelte, "das allmählich zum Volksbewußtsein kommende Gefühl der Bedeutung der Naturwissenschaften für das Leben der Zeit" zu stärken. Okens politische Abstinenz in Zürich, der letzten, aber immerhin 18 Jahre dauernden Phase seines Lebens, scheint nur auf den ersten Blick resignative Züge aufzuweisen. Bei genauerem Hinsehen erweist sie sich eher als ein Akt politischer Klugheit, einmal gegenüber dem Gastland Schweiz, zum andern aber auch als ein Signal, im Alter die politische Bühne zu räumen und jüngeren Kräften Platz zu machen. Dem Alter bleibt dennoch die scharfe Beobachtung der politischen Entwicklung und die homerische Nestorrolle der aus langen Lebenserfahrungen schöpfenden Ratschläge, so sie denn gewünscht werden. Ein schönes Anschauungsbeispiel hierfür ist Okens Brief an Heinrich v.Gagern, den Präsidenten der Paulskirchenversammlung von 1848, in dem er sich vehement für die großdeutsche Lösung in der Einigungsfrage und damit für Habsburg und gegen Preußen einsetzt. Resümierend kann man mit guten Gründen in L. Oken auch ein großes politisches Vorbild für unsere Zeit sehen: den selbstbewußten, weil leistungsstarken Fachmann und den anteilnehmenden, mutigen politischen Bürger. |
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